Erster Kontakt mit Harfe – Mittelaltermärkte
Während meines Studiums war ich ein kleiner Mittelalterfan. Oder sagen wir lieber Mittelalternative, denn die romantisierten Darstellungen des Mittelalters auf allseits bekannten Mittelaltermärkten entsprechen bestimmt nicht der damaligen Wirklichkeit.
Vor allem die Musik hatte es mir angetan, rockig, esoterisch, fremde Klänge aus dem osmanischen Reich, mal im Chor gesetzt, mal mit elektrischen Klängen untermalt. Es wird musikalisch wild gemixt und niemand stellt in Frage, dass ein dorisches, keltisches Lied mit australischer Didgeridoo-Posaune untermalt wird.
Und immer wieder die keltische Harfe.
Egal wo ich hingeschaut habe, überall habe ich Harfen gesehen.
Na klar, bist du schwanger, siehst du auf einmal überall andere Frauen, die schwanger sind. Das wird dir mit deinem neu gekauften Auto ebenfalls passieren. Aber ich schweife ab. Harfe. Es war nachher so weit, dass ich fast ein halbes Jahr lang regelmäßig bei Youtube (2008/09) Videos von Harfenisten geschaut habe.
Ich war sowas von infiziert.
Kauf meiner Athanasos – Klangschiff Harfe
Wenn ein Wunsch so nagt, wie dieser damals, dann musst du irgendwann tätig werden. Ich habe in Bremen studiert und einer der nächsten Harfenbauer war Lutz Bönisch. Während eines Besuchs bei Ihm, habe ich mich noch mehr in diesen Klang verliebt.
Aber ich konnte nicht spielen. Es sieht immer so einfach aus, wenn Musiker ihr Instrument beherrschen.
Verliebt, aber unverrichteter Dinge, bin ich wieder gefahren. Aus Kostengründen. Auch eine gute Hakenharfe ist kein Schnapper und für mich als Studentin sowieso nicht.
Aber die Harfe ließ mir einfach keine Ruhe und so zog sie ein halbes Jahr später bei mir ein.
Und ein weiteres, halbes Jahr später musste ich mir eingestehen, dass ich als Musikstudentin zwar Ahnung hatte, aber vom Harfe spielen keine. Also nahm ich mir Unterricht und besuchte Harfenworkshops, mit anderen Freaks, die genauso in ihre Harfe verliebt waren wie ich.
Insgesamt hat dieser Wunsch zwei Jahre in mir gegehrt, bis ich ihn mir erfüllt habe. Und heute, 13 Jahre später, bin ich immer noch verliebt in dieses Instrument und ihren wunderbaren Klang.
Der Klang des Himmels – abgedroschen, aber wahr
Der Klang dieses Instruments hat mich auf den Mittelaltermärkten und in den damals noch recht schlechten YouTube Videos zutiefst fasziniert:
Irgendwas zischen dem Klang eines Klaviers, dem Klang einer Gitarre und dem Klang des Himmels.
Zupfe eine Saite und die ganze Harfe, sowie die Umgebung schwingt. Stoppe die Schwingung dieser gezupften Saite und die Harfe schwingt einfach weiter. Diese kleine, physikalische Komponente macht den äolischen Klang der Harfe aus.
Weich, warm und glockig lullt er dich von allen Seiten ein. Der Klang ist überall spürbar, dringt über Ohren und Haut bis in deine tiefsten Empfindungen. Er kann dich beruhigen, dich lösen und dich zum Träumen bringen.
Aber der Klang kann auch das Gegenteil bewirkten. Ich kann gut verstehen, dass einige Menschen den Klang der Harfe hassen und einen großen Bogen um dieses Instrument machen. Vielleicht empfindest du ihn als kriechend, du kannst dich davor nicht verwehren, du kannst unwiderruflich und unvorhergesehen mit deinen eigenen Gefühlen konfrontiert werden, egal ob du möchtest oder nicht.
Das durfte ich schon erleben.
Für mich ist dieser Klang zuhause, eine Kontaktaufnahme mit meinem Innenleben und meinen Emotionen.
Der Haken der Hakenharfe
Eine Harfe ist diatonisch gestimmt. Je nach Tonart des Stückes, stellst du die Hakenharfe ein.
Falls du Laie bist, stelle dir vor, du hast am Klavier nur die weißen Tasten zur Verfügung. Möchtest du eine schwarze Taste spielen, musst du auf der Harfe zunächst einen Haken umklappen.
Das bedeutet für den Spieler und die Stücke du spielst, dass du tonal eingeschränkt bist. Bei Volksmusik, irischer Musik, Pop und Schlager ist dies kein Problem. Möchtest du aber Soul oder Jazz spielen, hast du immer wieder Töne in der Musik, die nicht zu ihrer Ursprungstonart gehören. Da in dieser Musik oft die Tonart gewechselt wird (moduliert) hat die Hakenharfe ihre tonalen Grenzen erreicht.
Popmusik ist schön, unsere beliebten vier Akkorde (also Tonika, Subdominante und Dominante sind die beliebtesten Akkordfunktionen in unserer westlich geprägten Musik) sind gut und wunderbar und haben ihre feste Daseinsberechtigung in unserer Radiowelt.
Die tonale Freiheit einer Konzertharfe
Aber es gibt so viel mehr, also rein musikalisch gesehen. Ich liebe den Klang einer Septime. Dieser bestrebte Wunsch nach Auflösung, nach mehr. Ja, die Septime ist Bestandteil einer diatonischen Tonleiter, aber ich will noch mehr. Ich will raus aus den Zwängen der Tonalität. Ich möchte mich musikalisch weiterentwickeln, mit Septimen und kompliziert aussehenden Akkorden, die nicht in die angepeilte Tonart gehören. Ich möchte mir langsam den seichten Gefilden des Jazz‘ erobern. Und das verspreche ich mir von der Konzertharfe.
Eine Konzertharfe ist ebenfalls diatonisch gestimmt, allerdings hat sie ein komplexes System aus Metallstreben im Innern verbaut. Über sieben Pedale hast du die Möglichkeit die Töne zu verändern. Möchtest du zum Beispiel ein Fis UND ein F in deinem Spiel (eine weiße und schwarze Taste am Klavier, die direkt nebeneinander liegen) haben, musst du mit deinem Fuß das richtige Pedal treten, statt mit meiner linken Hand vier Klappen umzulegen – während des Spiels versteht sich (so moduliere ich beispielsweise von C- nach G-Dur).
Diese große Harfe verspricht mir tonale Freiheit und so musikalische Weiterentwicklung. Mir wären nun musikalische Gefilde offen, von denen ich vorher nur geträumt habe. Ja klar, ich hätte das auch auf meiner Gitarre haben können. Aber der Gitarrenklang ist kein Harfenklang.
Konzertharfe verspricht Prestige
Hast du schon einmal vor einer Konzertharfe gestanden? Das ist beeindruckend. Vergleichbar mit der wuchtigen Präsenz eines Flügels, aber zarter und filigraner.
Eine der ersten Fragen, die mir immer gestellt werden: Ist es kompliziert die Saiten zu spielen? Nein ist es nicht, meines Erachtens ist Harfe eines DER Instrumente, die du auch im hohen Alter gut erlernen kannst – dazu aber an anderer Stelle mehr.
Ich leugne nicht, dass ich immer schon einen Hang zu besonderen Dingen hatte. Ich wollte mich immer Abheben von anderen. Mein Bruder sagt, gestehe dir ein, dass du ein Sendebedürfnis hast: ich blogge, mache Instagram, spiele Musik auf Bühnen und bin Lehrerin geworden – ja ich stehe gerne im Mittelpunkt.
Aber eigentlich ist das doch nur ein tiefer Wunsch eines kleinen Mädchens. Der Wunsch von Verständnis und Wertschätzung meiner selbst durch andere, durch dich. Und dieser Wunsch ist ein ganz natürlicher und menschlicher, auf extrovertierter Weise ausgelebt.
Also in Summe: Dieses Instrument zu besitzen und spielen zu können ist einfach *geil* und das kann nicht jeder. Und was kickt dich?
Erster Kontakt Konzertharfe
Ein Wochenende im Juli 2022. Wir waren auf der standesamtlichen Trauung meines Onkels eingeladen, im bergischen Land. In Krefeld hat ein Vertreter namhafter Harfen sein Zelt aufgeschlagen – iloveharps.de und ich habe Chance ergriffen und einen Termin zum Anspielen von Konzertharfen ausgemacht. Zwei Konzertharfen hatte er da, eine Daphne der Firma Salvi und eine Aldeburgh der Firma Pilgrim. Die Daphne war bereits verkauft.
Konzertharfen spielen sich anders als meine Hakenharfe. Rein technisch erfordern die Saitenspannung und die dickeren Saiten viel mehr Kraft in den Fingern. Meine linke Hand (die Basshand) hat nach dem Anspielen deutlich geziept. Der Diskant (die kurzen, hoch klingenden Saiten) sind zwischen Resonanzkörper und Gabelbaum nur mit langen Fingern zu spielen. Und die Harfe ist groß. Um die tiefste Saite zu spielen, musst du dich nach vorne beugen.
Die beiden Hersteller Pilgrim und Salvi haben unterschiedliche Klangphilosophien in ihren Harfen. Für mich klingt die Salvi perlig, in sich geschlossen, indirekt und weiter weg von mir – obwohl ich den Klang mit meinen Fingern nur 30 cm von meinem Ohr entfernt erzeuge.
Die englische Pilgrim Harfe klingt direkter, klarer und der Anschlag ist knackiger. Es passt besser zu meiner direkten Art, abgesehen davon erinnert dieser Klang mich mehr an meine Hakenharfe, die ebenfalls direkter und knackiger klingt. Die Pilgrim ist noch zu haben.
Mein Mann und meine beiden Zwerge waren beim ersten Anspielen zugegen, nach fünf Stunden Anfahrt war ich zu platt, um die wahre Schönheit der Pilgrim zu erkennen.
Also bin ich nach ein paar Fotos und einer Aufnahme mit ungestimmter Harfe wieder gefahren, um am Folgetag die Trauung zu genießen.
Der Klang des Himmels, aber mit BASS
Am Abend nach der wunderbaren Trauung, mit vielen Menschen und Kindern, schlich sich die Konzertharfe wieder in meinen Hinterkopf. Ein ‚es könnte ja…‘ und ‚es wäre doch …‘ und die Fotos auf meinem Smartphone haben mehr von der Konzertharfe versprochen, als ich bis dato wahrgenommen hatte.
Ausgeschlafen, mit einer lieben Freundin und einer diesmal gestimmten Harfe durfte ich sie nochmal in Ruhe anspielen. Ohne Verkaufsgespräch, ohne übermüdete Kinder. Nur ich und dieses Gerät.
Sitzt du hinter der Harfe und spielst, dann geht der Klang von dir weg. Du erzeugst den Klang. Sitzt du vor der Harfe und hörst zu, sitzt du in dieser Klangwolke. Das Hörerlebnis ist ein komplett anderes. So richtig ergriffen hatte mich das Instrument immer noch nicht.
Aber ich hatte das Glück, dass eine Harfenistin zugegen war, die für mich gespielt hat.
Und ich war emotional ergriffen. Der Klang dieser englischen Harfe von vorne hat mich direkt abgeholt.
So klingt das, wenn ich diese Harfe spiele? In dem Moment hat es geklickt und das Instrument hatte mich: Warm und tiefgründig mit einem runden Bass ohne Wummern, glockige Höhen, ohne picksenden Anschlag im Diskant, gleichzeitig mit einer direkten Ansprache, in der jede Saite einfach und klar wahrzunehmen ist, ohne Verschwimmen der einzelnen Klänge.
Ist das Liebe? Jedenfalls hat mich dieser Klang tief berührt und mir sind die Tränen in die Augen geschossen.
Ein erwachsenes Instrument für eine erwachsene Frau
Aber mit 40 bist du doch schon erwachsen! Ja, aber wer sagt, dass ich mich auch erwachsen fühle? Ist erwachsen werden und erwachsen sein nicht eine steige Entwicklung, wenn man Veränderung zulässt?
Ein Instrument zu spielen ist reine Selbstentwicklung: Auf der kognitiven Seite steht das Knowhow wie Notenlesen, erfassen eines Musikstückes, sowie die Technik und Fingerfertigkeit zur Beherrschung des Instruments.
Auf der affektiven Seite stehen, regelmäßiges Üben und das Ankämpfen gegen deine eigene Prokrastination. Deine Frustrationstoleranz weitet sich und du lernst mit Lernfrust umzugehen, sowie dich über kleine Fortschritte zu freuen.
Und was für mich bedeutend ist, du lernst deinen Körper kennen. Ein Zusammenklang zwischen Kognition, Atmung, Haltung und Seele. Du kannst über das Erlernen eines Instrumentes herausfinden, wie deine Seele klingt und deinen Emotionen, die du nicht in Worte fassen kannst, Klang verleihen.
Das Umsteigen auf eine Konzertharfe bedeutet somit für mich, musikalisch zu reifen und zu erwachsen.
Mein Fazit
Hinter einem einzigen Wunsch, der mit fünf Worten ausgesprochen werden kann: ‚Ich wünsche mir eine Konzertharfe‘ liegen tiefe Bedürfnisse verborgen.
Das Bedürfnis nach Selbstentwicklung und Selbsterfahrung. Das Bedürfnis nach Anerkennung und Bindung. Das Bedürfnis nach Freiheit und Selbstwirksamkeit.
Da du wie ich ein Mensch bist, liegen unseren Wünschen die gleichen seelischen Bedürfnisse zu Grunde, ob du dir ein Haus, eine Familie oder eine Reise nach Kenia wünschst.
Wichtig ist die Gabe, diesen Wunsch zu erfassen und die Sehnsüchte und die Bedeutung für dich dahinter zu ergründen.
Ich habe meine Sehnsüchte hinter dem Wunsch einer Konzertharfe ergründet, werde ich mir diesen Wunsch erfüllen? Das wird sich zeigen. Ich glaube aber, dass sich diese Sehnsüchte erst erfüllen, wenn ich mir den Wunsch erfüllt habe – oder ein Adäquat gefunden habe.
Und jetzt du, was wünschst du dir und welche Sehnsucht steckt hinter deinem Wunsch?